Ottilia Berthoud-Giacometti (1904–1937) war die Tochter von Giovanni und Annetta Giacometti. Sie wurde in Borgonovo geboren und zog als Säugling mit ihrer Familie nach Stampa, wo sie aufwuchs und die Volksschule besuchte. Die Sommer verbrachte sie mit ihrer Familie in Capolago, das zu ihrem Lieblingsort wurde. Sie widmete sich dem Erlernen und der Ausübung von Tätigkeiten, die zu jener Zeit als typisch weiblich galten: Sie besuchte Schulen in Horgen, Bern und Lausanne und arbeitete anschliessend im Textilbereich in Paris, Ascona und Chur.
Gerne kehrte sie nach Hause zurück, um ihre Familie zu treffen. Im Bergell blieb Ottilia in das soziale Gefüge des Tals integriert; 1930 nahm sie an der Aufführung des Theaterstückes Stria teil und spielte die Rolle der Menga (eine Rolle, die 1896 von ihrer Tante Domenica Giacometti gespielt worden war, während Annetta die Figur der Anin verkörpert hatte).
Während eines Sommerurlaubs traf Ottilia den Genfer Arzt Francis Berthoud, einen begeisterten Bergsteiger, den sie am 22. März 1933 in Maloja heiratete. Mit ihm zog sie nach Genf und freute sich auf eine grosse Familie. Ottilia besuchte weiterhin Capolago während der Sommer und über die Weihnachtszeit.
Am Ende des Winters 1937 bemerkte Ottilia, dass sie schwanger war. Sie reiste bereits im Juli nach Capolago, um dort wie üblich den Sommer zu verbringen. Zurück in Genf bereitete sie sich auf die Geburt vor. Am 8. Oktober begab sie sich ins Krankenhaus, wo zwei Tage später, am 10. Oktober 1937, der kleine Silvio zur Welt kam – es war Albertos Geburtstag. Die Mutter hielt ihn liebevoll in den Armen. Infolge der Strapazen der Geburt starb Ottilia aber unerwartet Morgen des 11. Oktober 1937, dem Geburtstag von Francis Berthoud, ihres Ehemannes. Sie wurde nur 33 Jahre alt.
Ottilia war unzählige Male Modell für ihren Vater Giovanni und für Alberto gewesen, und viele Gemälde und Skulpturen erinnern an sie. Silvio, ihr Sohn, wuchs gesund auf, umsorgt von seiner Grossmutter Annetta und umgeben von der Liebe seines Vaters und seiner Onkel.
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