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Alberto Giacomettis «cellina à Stampa»

Um 1955 machte Alberto Giacometti im Elternhaus in Stampa eine Bleistiftzeichnung, die am 12. September 2024 an einer Auktion bei Kornfeld unter dem Titel «La cellina à Stampa» versteigert wurde. Durch den persönlichen Kontakt anlässlich der Giacometti-Ausstellung im Kunsthaus Zürich im Jahr 1962 sei die Zeichnung in den Besitz von Dr. Wehrli und später von Hedy Schiess gekommen, der langjährigen Vizedirektorin des Kunsthauses. Die Zeichnung zeigt auf der Vorderseite ein Stillleben im Elternhaus Giacomettis in Stampa mit der typischen Rundbogendecke.

«Cellina»: wie kommt dieser – falsche – Titel zustande?

Annette, die Alberto im Jahr 1949 geheiratet hatte, kam während Ihrer Zeit mit ihrem Ehemann mehmals nach Stampa, wie unzählige Fotos und Zeitzeugnisse dies bezeugen. Sie hatte phonetisch Bargaiot gelernt: Alberto sprach in der Heimat Bergeller Dialekt mit ihr. Zuhause in Stampa pflegte die Familie in einem gewölbten Raum zu speisen. Diesen Raum zeichnete Alberto, die Familie nannte ihn "sälina", der kleine Saal.

Das Wort «cellina» existiert auf Bergeller Dialekt aber nicht (vgl. Dizionario del dialetto bregagliotto von Luigi Giacometti), und das italienische «cellina» (kleine Zelle) ist in diesem Zusammenhang unpassend, da es in Zusammenhang mit Klosterzimmern oder Gefängnissen verwendet wird.

Hingegen sagt man auf Bergeller Dialekt zu einem kleinen Saal «sälina», von «säla», der Saal. Annette hatte im Giacometti-Haus in Stampa das Wort «sälina» gehört und bei ihren dokumentarischen Arbeiten offenbar die Transkription «cellina» gewählt. So übertrug sich die fehlerhafte Bezeichnung bis in die Gegenwart. Es wäre angebracht, im Sinne der lexikalischen Korrektheit den Titel der Zeichnung «cellina» mit «sälina» zu ersetzen.

Marco Giacometti, im September 2025

Foto oben: Annette und Alberto Giacometti in Stampa (C) Alfredo Loprieno, 1963